Nach einer Recherche von Jan Brokken tanzte sie zur Zeit ihres zweiten Aufenthalts in Paris einen Schlangentanz in einem Lokal am Montmartre,
wo man auf sie aufmerksam geworden sei und sie anlässlich einer
Wohltätigkeitsveranstaltung zu einem Auftritt in den renommierten Salon der Madame Kiréevsky eingeladen habe. Der Auftritt fand Ende Januar 1905 statt, angekündigt war sie als Lady MacLeod. Durch Pressemitteilungen, die „eine Frau aus dem Fernen Osten“ ankündigten, „die mit Parfüm und Juwelen beladen nach Europa kam, um sich mit Schleiern zu verhüllen und enthüllen“, interessierten sich weitere Mäzene für Lady MacLeod.
Auf Einladung des Industriellen Émile Guimet, der ihre Vorstellung im
Salon Kiréevsky verfolgt hatte, tanzte sie am 13. März 1905 in seinem Museum Guimet
vor einem ausgesuchten Publikum und präsentierte dort Nachempfindungen
indischer Tempeltänze. Er stellte ihr passende Tanzbekleidung, einen Sarong
und ein besticktes Bustier, Schleier und Schmuck zur Verfügung und riet
ihr, einen Künstlernamen anzunehmen. Obwohl sie noch als Lady Mac Leod
in den Zeitungen angekündigt wurde, legte sie an jenem Tag ihren
endgültigen Künstlernamen fest – Mata Hari. Matahari bedeutet auf malaiisch Sonne (wörtlich „Auge des Tages“).
Die Szene, in der sie zuletzt nahezu unbekleidet tanzte, war Sensation und Skandal zugleich. Es folgten Auftritte auf den Soirées von Bankier Baron Henri de Rothschild (1872–1946), der Theaterschauspielerin Cécile Sorel (1873–1966), Gaston Menier, des Erben der Schokoladendynastie Menier, Natalie Clifford Barney und vielen anderen.
Das Jahr 1905 war das erfolgreichste für Mata Hari. Sie gab 35 Vorstellungen, verdiente pro Abend rund 10.000 Französische Francs,
verkehrte in den teuersten Hotels und bewohnte eine eigene Wohnung in
der vornehmen Rue Balzac Nummer 3. Im Mai glückte ihr ein Auftritt im Théâtre du Trocadéro, den sie im Juni und Juli wiederholte. Zudem wurde sie von dem Zeitungsherausgeber und Impresario Gabriel Astruc kontaktiert, der ein Varietéprogramm für das Olympia-Theater vorbereitete und sie dazu als Hauptattraktion einlud.
Ende des Jahres kündigte sie einem holländischen Journalisten an, sie
werde das Tanzen aufgeben und einen osteuropäischen Fürsten heiraten.
Solche und ähnliche, augenscheinlich von Mata Hari gezielt platzierten
Falschmeldungen sorgten dafür, dass ein Interesse der Öffentlichkeit an
der geheimnisvollen Tänzerin nicht nachließ. Trotzdem hatte sie bereits
nach kurzer Zeit mit Konkurrenz zu kämpfen. Suzy Deguez, Tänzerin in den
Folies Bergère,
kopierte ihre „Tempeltänze“, bald gefolgt von weiteren Tänzerinnen.
Mata Hari reagierte äußerlich gelassen und versprach außergewöhnliche
Sensationen, die sie in Kürze auf die Bühne bringe.
Das Interesse an ihr, vor allem als Werbeikone, blieb ungeachtet der
aufkeimenden Konkurrenz ungebrochen. Die großen Varietés buchten sie,
ein Engagement jagte das andere, ihr Bild erschien auf Postkarten,
Zigarettenschachteln und Keksdosen.
Ihr erstes Auslandsengagement führte sie 1906 nach Spanien in den Zentralen Kursaal in Madrid. Hier lernte sie den französischen Botschafter Jules Cambon
kennen. Diese Bekanntschaft rettete ihr später zwar nicht das Leben,
aber Cambon war der einzige, der 1917 in ihrem Prozess zu ihren Gunsten
aussagte und sich nicht versteckte.
Im Pariser Theater Olympia erschien sie im selben Jahr vor großem Publikum im Rahmen eines Varietéprogramms. In Monte Carlo sah man sie im dritten Akt von Jules Massenets Oper Le Roi de Lahore als Salomé neben der Ballerina Carlotta Zambelli (1875–1968).
Am 26. April 1906 erging das Scheidungsurteil für ihre Ehe. Mata Hari
wurde aufgrund von Nacktaufnahmen, die sie für einen Bildhauer
anfertigen ließ und die aus ungeklärten Gründen an Liebhaber verkauft
wurden und so in der Öffentlichkeit kursierten, schuldig geschieden. Ihr
Publikum erfuhr nichts von diesem Vorgang, sie gab sich weiter als
geheimnisumwitterte indische Tempelbajadere Mata Hari aus, über deren
romantische Herkunft sich die Zeitungen gegenseitig mit fantastischen
Geschichten übertrumpften.
Nach ihrem triumphalen Auftritt in Monte Carlo reiste Mata Hari nach Wien zu Auftritten im Apollo-Theater, wo sie ebenfalls große Erfolge feierte.
Nach Berlin
kam sie zum ersten Mal 1907 zu einem Auftritt im Varieté Wintergarten
an der Friedrichstraße und wurde auch hier zur Sensation. Anschließend
soll sie in Berlin mehrere Monate mit Alfred Kiepert, einem vermögenden Leutnant des „Elften Husarenregiments von Westfalen“, in der Nachodstraße 18 zusammengelebt haben. Mittlerweile tauchten erste Gerüchte über ihre wahre Identität auf, und
Mata Hari wehrte sich in der Presse mit einer veränderten
Lebensgeschichte: „Er (der Vater von Mata Hari) war Berufsoffizier. Er hat mich auf Java aufwachsen lassen und dann in ein aristokratisches Internat nach Wiesbaden geschickt.“
In Berlin gab sie auch eine Vorstellung für den deutschen Kaiser Wilhelm II. und dessen Familie. Ein weiteres Gerücht berichtete von einem Verhältnis der Tänzerin mit dem Sohn des Kaisers. Dieses wurde von ihr nicht dementiert, was ihr in ihrem Prozess negativ ausgelegt werden sollte.
Sie kehrte 1907 nach Paris zurück. Im selben Jahr erschien das von ihrem Vater Adam verfasste Buch „Mata-Hari
- Mevr. M.G. Mac Leod-Zelle. De levensgeschiedenis mijner dochter en
mijne grieven tegen haar vroegeren echtgenoot. Met portretten,
documenten, fac-simile's en bijlagen.“. Diese „Lebensgeschichte“ enthielt neben gefälschten Dokumenten, mit
denen der Vater eine adelige Abstammung seiner Tochter belegen wollte,
vor allem Anschuldigungen gegen ihren Ex-Mann.
Im Winter 1907 begab sie sich – eventuell zusammen mit Alfred
Kiepert – auf eine Reise nach Ägypten und blieb für ihre europäische
Anhängerschaft verschwunden. Gerüchteweise verlautete, sie halte sich im
„Nillande auf, um die alten Mysterien zu studieren“. Am 30. März
1907 befand sich Mata Hari in Rom und telegrafierte an ihren Manager,
ob inzwischen neue Engagements für sie eingetroffen seien. Sie schrieb
auch an Richard Strauss, um sich für seine neue Inszenierung als Salome vorzuschlagen: „Nur ich kann die Salome tanzen.“ Als sie keine Antwort erhielt, reiste sie nach Paris zurück.
In Frankreich
angekommen, musste Mata Hari feststellen, dass man sie als Künstlerin
schon fast vergessen hatte und es in Paris von Kopien ihrer Tänze
geradezu wimmelte. Die Tänzerin Colette war fast nackt in „Der Ägyptische Traum“ im Moulin Rouge zu sehen, in Berlin zeigte die marokkanische Tänzerin Sulamith Raha im „Evakostüm“ ihren Schwerttanz, den Schleiertanz und einen Bauchtanz, und Maud Allan
tourte mit ihren „Visions of Salome“ erfolgreich durch Europa. Als
Reaktion kündigte Mata Hari in der Ausgabe der britischen „The Era“ vom
20. September 1908, einer Wochenzeitung für Kunst und Kultur, ihren
Rücktritt von der Bühne an und beklagte sich über ihre Konkurrentinnen:
„(…) Seither nehmen einige Damen den Titel einer orientalischen Tänzerin
für sich in Anspruch. Ich würde mich vielleicht durch solche Beweise
der Aufmerksamkeit geschmeichelt fühlen, wenn die Darbietungen dieser
Damen einen gewissen wissenschaftlichen und ästhetischen Wert besäßen,
aber das ist nicht der Fall.“
Aber ihr Stern war noch nicht gesunken. Sie war nach wie vor ein
geschätztes Mitglied der Pariser Gesellschaft, die Zeitungen berichteten
regelmäßig über sie. Sie tanzte wieder häufiger auf
Wohltätigkeitsveranstaltungen, wie im Trocadéro, im Pont aux Dames und im Houlgate.
Im Jahr 1910 übernahm sie die Rolle der Kleopatra in Antar von Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow
in Monte Carlo. Doch Antoine, der Erfinder des realistischen Theaters
und Regisseur des Stücks, war unzufrieden mit ihren Leistungen als
Tänzerin. Als sie erwartete, von Antoine auch für die Aufführung von
Antar in seinem eigenen Theater am Boulevard de Strasbourg engagiert zu
werden, wurde sie enttäuscht. Schnell wurden Journalisten auf den Streit
zwischen dem Regisseur und der Tänzerin aufmerksam, und beide leiteten
die Aussagen des jeweils anderen der Presse zu. Mata Hari klagte
gerichtlich auf Verleumdung und forderte Schadensersatz. Antoine erhob
daraufhin Gegenklage gegen Mata Hari. Der Prozess zog sich bis
Dezember 1911 in die Länge; Mata Hari gewann. Ihre Ehre war wiederhergestellt, dennoch blieben weitere Engagements in der Folgezeit aus.
Vom Sommer 1910 bis Ende 1911 lebte sie – von der Öffentlichkeit
unbemerkt – zusammen mit ihrer Hausangestellten Anna Lintjes im
französischen Esvres im Schloss de la Dorée des verheirateten Bankiers Xavier Rousseau, dessen Mätresse sie war.
Nachdem sie nach Beendigung der Affäre erneut für ihren eigenen
Unterhalt sorgen musste, suchte sie wieder vermehrt den Kontakt zu
Astruc, der ihr in der Tat eine Reihe neuer Engagements verschaffen
konnte, unter anderem den Auftritt, der später als der Höhepunkt ihrer
Karriere verstanden wurde: Am 7. Dezember 1911 tanzte sie in der
Mailänder Scala Die Prinzessin und die Zauberblume im fünften Akt von Christoph Willibald Glucks Oper Armide, und im Januar 1912 verkörperte sie die Venus in Antonio Marcenos Ballett Bacchus und Gambrinus.
Während die Venus ansonsten von Künstlerinnen mit blondem Haar
dargestellt wurde, trat Mata Hari mit ihrem eigenen dunklen Haar als
viel gelobte „Schwarze Venus“ auf.
Auch in den privaten Salons der italienischen Oberschicht tanzte sie die Salome. Im März 1912 versuchte sie, ein Engagement von Sergej Djagilew
zu erhalten, der mit seinem Ensemble märchenhafte Erfolge in Europa
feierte, wurde jedoch brüsk abgewiesen. Als sie in Monte Carlo auftrat,
war es zu einem Kontakt zwischen Djagilew und ihr gekommen, und nachdem
sie als Schwarze Venus Erfolge gefeiert hatte, entstand in ihr ernstlich
der Gedanke, mit den Ballets Russes
aufzutreten. Djagilew versetzte sie bei einem Treffen, ohne sich zu
entschuldigen; dem schloss sich im Beisein seines ersten Tänzers Vaslav Nijinsky, des Choreografen Michael Fokine und Léon Bakst
ein Eklat an, während im Theater Bühnen-Umbauarbeiten im Gange waren.
Djagilew forderte Mata Hari auf, sich zu entkleiden und eine Kostprobe
ihres tänzerischen Könnens auf der von Bühnenarbeitern bevölkerten Bühne
zu geben. Erbost verließ die 36-Jährige das Theater, die überzeugt
gewesen war, ohne jede tänzerische Ausbildung und ohne hinreichende
Erfahrung im klassischen Ballett als Primaballerina der seinerzeit führenden Ballettgruppe Europas auftreten zu können.
Hin und wieder konnte sie ihre orientalischen Tänze noch vor einem
größeren Publikum zeigen. So war sie am 14. Dezember 1912 in der
Vorstellung „Indische Kunst“ in der Université des Annales zu sehen.
Doch auch ihr Manager Astruc, der inzwischen Direktor des Théâtre des Champs Elysées geworden war, wandte sich von ihr ab.
Zu dieser Zeit versuchte Mata Hari auch, den Kontakt zu ihrer Tochter
Non herzustellen, doch ihr Ex-Ehemann sandte ihre Briefe ungeöffnet
zurück. Schließlich schickte Mata Hari ihre engste Vertraute, das
Dienstmädchen Anna Lintjens, nach Holland. Sie sollte Non möglicherweise
zu ihr nach Neuilly-sur-Seine bringen, wo Mata Hari seit Ende 1911 in ihrer kleinen Villa wohnte. Dieser Versuch eines ungestörten Treffens mit ihrer Tochter wurde in
einigen Berichten als geplante Entführung dargestellt. Ob Anna Lintjes
wirklich den Auftrag hatte, Non in eine andere Stadt zu bringen, bleibt
unklar. Sie kehrte jedenfalls ohne die Tochter nach Frankreich zurück.
Über das weitere Leben von Non ist nur noch bekannt, dass sie
beabsichtigte, im Herbst des Jahres 1919, also zwei Jahre nach dem Tod
ihrer Mutter, nach Indonesien überzusiedeln, um dort als Lehrerin zu
arbeiten. Nur wenige Wochen vor Antritt ihrer Reise verstarb sie aber im
Alter von erst 21 Jahren an einer Gehirnblutung.
Mata Hari reiste 1913 nach Berlin und sah während einer Rundfahrt durch die Stadt den deutschen Kronprinzen.
Ihr Interesse wurde von einem Beobachter namens Guido Kreutzer als
fanatische Feindschaft gegenüber Deutschland fehlinterpretiert. Seine
Verdachtsmomente dokumentierte Kreutzer 1923 in dem Buch „Der Deutsche
Kronprinz und die Frauen in seinem Leben“. Als Mata Hari darum bat, vor
dem deutschen Kronprinzen tanzen zu dürfen, wurde ihrer Bitte nicht
entsprochen. So reiste sie unverrichteter Dinge aus Berlin ab.
Am 28. Juni 1913 trat sie als spanische Tänzerin in La Revue en Chemise in den Folies Bergère auf. Im Kino Gaumont zeigte sie ein letztes Mal ihren Tanz für den Gott Shiva. Der Zenit ihrer Tanzkarriere war bereits überschritten. Nach drei Auftritten im Musée Galliera im Januar 1914 berichtete sie einem Journalisten der Vogue, sie bereite ein sensationelles Comeback vor. Sie reiste wieder nach Berlin und telegrafierte Ende Februar an Emile Guimet, ob sie ihren Erfolg nicht mit ägyptischen Tänzen wiederherstellen könne. Seine Antwort vom 9. März 1914 war bezeichnend: „Teuerste, ägyptisches Ballett zu machen ist eine ausgezeichnete Idee, vorausgesetzt, es ist wirklich ägyptisch.“
Quelle: Wikipedia
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