Samstag, 15. Oktober 2011

Orientalischer Tanz in Burleske, Varieté, Kabarett und Revue

Die Fremdartigkeit des Orients faszinierte die Menschen seit den ersten Reiseberichten europäischer Reisender. Vor allem die (den Männern) verschlossene Welt der orientalischen Frauen und die orientalische Musik wirkten auf die Europäer und nährten Fantasien, wie die Tänze dieser exotischen Gestalten aussehen könnten. Um die vorletzte Jahrhundertwende wurden diese Themen ohne Verbindung zum traditionellen orientalischen Tanz von vielen Tänzerinnen aufgegriffen und in Tanzproduktionen vorgestellt, vor allem auf Kabarett- und Varietébühnen. So entstand ein eigenes, erotisch konnotiertes Genre des „orientalischen Tanzes“ ausschließlich im Westen – das erst über die Medien des 20. Jahrhunderts auf den Orient zurückwirkte.


Zur Zeit der Weltausstellung in Chicago um 1893, zeigte die relativ unbekannte Tänzerin Little Egypt zum ersten Mal „orientalische Tänze“ vor internationalem Publikum. In der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts war das Zeigen eines entblößten Bauches, ebenso wie das Zeigen eines bloßen Fußes oder unbedeckter Hände und Arme, gesellschaftlich sanktioniert.



Die Tänze von Little Egypt, die in den USA später in Burlesque-Aufführungen auftrat, waren trotz oder gerade wegen der Zurschaustellung normalerweise bedeckter Körperteile eine Sensation. Offiziell wurde dem Tanz und der Tänzerin nur entrüstete Aufmerksamkeit gezollt, trotzdem ist ihr Name bis heute ein Begriff. Es existieren Fotoaufnahmen verschiedener Tänzerinnen, die sich ebenfalls Little Egypt nannten.

Die amerikanische Tänzerin Ruth St. Denis (1879–1968) beschäftigte sich mit verschiedensten religiösen und esoterischen Lehren. Ihre Tanzausbildung beruhte auf der Grundlage des Delsarte-Systems. Ein Zigarettenplakat der Göttin Isis beeindruckte sie nachhaltig und inspirierte sie 1906 zu ihrer ersten Tanzschöpfung. In den nächsten Jahren beschäftigte sich Ruth St. Denis immer mehr mit orientalischen Themen, die ihre abendfüllende Tanzproduktion "Egypta" mündeten. Als Gemeinschaftsarbeit mit ihrem Mann Ted Shawn entstand 1916 die Produktion „Dance Pageant of Egypta, Greece and India“. Ihre „Denishawn“-Schule in Los Angeles wurde zu einer zentralen Ausbildungsstätte. Sie choreografierte die babylonischen Tänze in D. W. Griffiths Monumentalfilm Intolerance. Mit ihrer Kompanie unternahmen beide 1925/26 eine große Tournee in den Fernen Osten. Neben den Gruppenstücken kreierte Ruth weiterhin Solotänze wie The Spirit Of The Sea, White Jade, Angkor-Vat. Zusammen mit La Meri (Russell Meriwether Hughes) gründete sie den dem orientalischen Tanz gewidmete School of Natya. Vor allem die orientalische Tanzszene Amerikas verehrt Ruth St. Denis als Pionierin des orientalisch inspirierten Tanzes.

Loïe Fuller trat als Serpentinentänzerin (ein Tanz mit übergroßen Schleiern) 1892 erstmals öffentlich auf. 1893 ließ sie sich ihr Kostüm und „Bühnenvorrichtungen zur Erzeugung von Illusionseffekten“ in Frankreich und London patentieren. Mit ihren Inszenierungen begeisterte und inspirierte sie viele Künstler ihrer Zeit. Henri de Toulouse-Lautrec, Jules Chéret, Will Bradley, Thomas Theodor Heine, James McNeill Whistler, Maurice Denis und viele andere verewigten sie in ihren Kunstwerken. Sie arbeitete als erste mit farbigen Lichtprojektionen und elektrischem Licht. Gabriel Pienré schrieb 1895 die Musik zu Fullers Interpretation der Salome, die am 4. März 1895 in der Comédie-Parisienne als lyrische Pantomime von Charles H. Meltzer und Paul-Armand Silvestre uraufgeführt wurde.

Das Thema der Salome, der todbringende Tanz einer Frau mit seiner Tragik, wie sie auch Oscar Wilde in seinem Stück 1893 inszenierte, diente als Vorlage für viele Tänzerinnen der jüngeren Generation. Nach der Jahrhundertwende, dem berühmten Fin de siècle, nahmen viele Tänzerinnen das Thema Salome auf und interpretierten es für sich neu. Die bekannteste Tänzerin die sich der Aufführung von Salome lange Zeit und mit nicht nachlassendem Erfolg widmete, war Maud Allan. Die erste Aufführung von The Vision of Salome fand am 2. Dezember 1906 am Wiener Carl-Theater statt. Ihr Tanz wurde als Weiterentwicklung der Tänze von Isadora Duncan betrachtet, der Pionierin des „freien Tanzes“.

Eine weitere Tänzerin, deren Hauptbeschäftigung aber eher den asiatischen Tänzen galt und die den Orient-Boom des angehenden 20. Jahrhunderts ausnutzte, war Mata Hari. Unter diesem Künstlernamen präsentierte sie Nachempfindungen indischer Tempeltänze. Die Szene in der sie zuletzt „nackt“ zu sehen war, wurde eine Sensation. Es folgten Auftritte in den Salons von Baron von Rothschild, Cécile Sorel, Gaston Menier, Natalie Clifford Barney. Viele Menschen würden Mata Hari unbesehen zu den orientalische Tänzerinnen zählen, aufgrund der ausgeprägten Exotik ihrer Kostüme. Mata Hari hatte jedoch nie eine Tanzausbildung und tanzte vor allem, um am Ende ihre Nacktheit zu präsentieren, die ihre Karriere ankurbelte.

Quelle:  Wikipedia

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