Mittwoch, 29. Februar 2012

Der Flamenco im 19. Jahrhundert

Durch die militärische Übermacht der napoleonischen Truppen im Unabhängigkeitskrieg wird eine starke Widerstandsbewegung innerhalb des gesamten spanischen Volkes ausgelöst, die sich in Guerillagruppen organisiert. Es wird von vielen Heldentaten berichtet, aber auch von den zahlreichen Opfern in der Zivilbevölkerung.

Als der Krieg schließlich beendet ist, verbleibt ein spanischer Nationalstolz, der dem aufgeklärten Franzosentum die bodenständige Gestalt des majo entgegenstellt, den Archetypus des Individualismus, der Eleganz und der Urwüchsigkeit. In diesem Umfeld tritt die Mode des Zigeunerischen ihren Siegeszug an.


Nach Jahrhunderten der Unbedeutenheit, der schwierigen Koexistenz und der Verfolgungen, die nie ganz aufhörten, sieht der majismo im Zigeuner das Vorbild seines Individualismus. Daher werden die ersten zigeunerischen Interpreten, die an den Hof gelangen, nicht nur gut aufgenommen, sondern sie verstärken gleichzeitig die Faszination für das Andalusische, die bereits die ersten Reisenden aus dem Norden Europas verspürten und die in diesem Moment, gleichzeitig mit dem Stierkampf, die Hauptstadt erobert.

Obwohl sich keine entsprechende Tonaufnahme erhalten hat, muss Silverio Franconetti als einer der vielseitigsten cantaores angesehen werden, die es je gab. Er stammte nicht von den Kalé ab, lernte jedoch von ihnen all jene Gesänge, die dem nicht-zigeunerischen Publikum verborgen gewesen waren. Auf Anraten des besten cantaor seiner Epoche, El Fillo, entschied er, sich dem Flamenco zu widmen. Nach einem Aufenthalt in Uruguay nahm er 1864 seine Karriere wieder auf und eröffnete 1881 in Sevilla das erste café cantante.

Dabei handelte es sich um ein Nachtlokal, in dem die Zuschauer Getränke zu sich nehmen und gleichzeitig das musikalische Spektakel genießen konnten. Wie zu erwarten, gab es in diesen Etablissements regelmäßig Entgleisungen jeder Art, was zu einer Ablehnung der benachbarten Bevölkerung führte. Dies geschah in einem wesentlichen Moment der Entwicklung des Flamenco, und es erschwerte im Nachhinein die Annäherung der intellektuellen Klasse an dieses kulturelle Phänomen.

Bis zu diesem Moment hatten die verschiedenen cantes und Interpreten kaum Austausch untereinander. Im Café Silverios traten sie einer neben dem anderen auf, in einem bereichernden Umfeld, aber auch in Konkurrenz zueinander, und allen voran Silverio selbst, dem es gefiel, die besten Sänger, die sein Lokal besuchten, herauszufordern.

Die Mode des Flamenco-Cafés war Voraussetzung für die Herausbildung des professionellen cantaor, der umso mehr Geld verdiente, je besser seine Interpretation war. Gleichzeitig war es der Schmelztiegel für die verschiedenen Aspekte der Flamenco-Kunst. Hier lernte der nicht-Zigeuner die zigeunerischen Gesänge kennen, die Zigeuner interpretierten auf ihre Weise die andalusischen Volksgesänge und der cantaor konnte sein Repertoire erweitern. Das Publikum hingegen erzielte mit seinem Applaus eine geschmackliche Vereinheitlichung, indem es manche palos anderen vorzog.

Quelle: Wikipedia

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