Donnerstag, 5. Januar 2012

Jean Georges Noverre

Jean-Georges Noverre (* 29. April 1727 in Paris; † 19. Oktober 1810 in Saint-Germain-en-Laye) war ein französischer Tänzer und Choreograf.

Er gehört mit Gasparo Angiolini zu den bedeutendsten Tänzern und Choreografen des 18. Jahrhunderts. Noverre kämpfte im Geist der bürgerlichen Aufklärung gegen die Erstarrung und Prachtentfaltung des höfischen Ballets, gegen Reifröcke und Perücken, für Natürlichkeit und Humanismus im Tanz und für das dramatische Handlungsballet (zum Beispiel in Ballet d'action).

Er war Lehrer bedeutender Ballettmeister, wie etwa von Charles LePicq (* 1744 oder 1749; † 1806). Noverre wirkte unter anderem 1744 bis 1747 in Berlin, von 1747 bis 1750 in Straßburg, von 1760 bis 1767 in Stuttgart und arbeitete von 1767 bis 1774 in Wien unter anderem mit Christoph Willibald Gluck zusammen. 1770/1771 choreografierte er die Tänze zu Antonio Salieris Don Chisciotte alle nozze di Gamace. In Paris steuerte Wolfgang Amadeus Mozart Musik zu Noverres Ballett Les petits riens (1778) bei. Noverres Briefe über die Tanzkunst (1760), die z.T. von Gotthold Ephraim Lessing übersetzt wurden, gehören zu den bedeutendsten theoretischen Schriften über das Ballett.


Noverre erhielt ab circa 1740 seinen ersten Ballettunterricht bei dem Pariser Tanzmeister François Marcel und bei dem Tänzer Louis Dupré. Seinen ersten Auftritt als Tänzer hatte er 1742 in Fontainebleau am Hofe von Ludwigs XV. Ab 1744 war er unter dem Ballettmeister Jean-Barthélemy Lany als Figurant an der von Friedrich II. errichteten Hofoper in Berlin tätig. Nach einem Aufenthalt in Dresden war er von 1747 bis 1750 in Straßburg tätig, wo er 1748 die Tänzerin und Schauspielerin Marguerite-Louise Sauveur heiratete.

1750 bis 1752 war das Ehepaar an der Oper in Lyon engagiert, wo Noverre nun als Solotänzer wirkte und 1751 seine erste eigene Choreografie Le Jugement de Paris produzierte. Ab 1753 waren sie Mitglieder der Balletttruppe des Pariser Théâtre national de l'Opéra-Comique. 1755/56 wurde er von David Garrick an das Theatre Royal Drury Lane nach London geholt, wo er dessen Schauspielkunst kennen und schätzen lernte.

Zurück in Lyon produzierte er zwischen 1757 und 1760 mehrere Ballette, bei denen er vor allem mit dem Komponisten François Granier zusammenarbeitete. Im selben Jahr erschien seine erste theoretische Schrift Lettres sur la Danse et sur les Ballets. 1760 folgt er einem Ruf nach Stuttgart an den Hof des Herzogs von Württemberg.

Nachdem der Hof wegen Überschuldung zahlreiche Angestellte entlassen musste, bewarb sich Noverre 1766 mit einer umfangreichen Darstellung seines bisherigen Ballettschaffens (Warschauer Manuskript) für das Theater am Hofe des polnischen Königs Stanislaw August. Nachdem er fast ein Jahr lang keine Antwort erhielt, ging er 1767 nach Wien, wo er von der späteren Königin Frankreichs Marie Antoinette protegiert wurde.

In Wien entstanden zahlreiche Ballette, vor allem zu Musik von Josef Starzer, Franz Aspelmayer (1728–1786), Christoph Willibald Gluck, und anderer Komponisten. 1775 holte ihn Marie-Antoinette nach Paris, wo er als Nachfolger von Gaetano Vestris zum Ballettmeister der Opéra National de Paris ernannt wurde. Nach einem weiteren Londonaufenthalt von 1785 bis 1793, zog sich Noverre ab 1795 in Saint-Germain-en-Laye zurück, wo er im Jahre 1810, während er noch an einem Dictionnaire de la danse arbeitete, verstarb.

Noverre ist sicherlich einer der bedeutendsten Choreografen des 18. Jahrhunderts. Die Bedeutung für seine Zeitgenossen wie auch für die Nachwelt gründet nicht zuletzt auch auf der Publikation zahlreicher Schriften zur Theorie und zur Praxis der Tanzkunst. Außerdem verfasste er zahlreiche ausführliche Szenarien (= Libretti, Inhaltsangaben) zu seinen Balletten, die in der Folge auch von anderen Choreografen aufgegriffen und nachgetanzt wurden.

Da wir zu keinem der Ballette eine schriftliche Aufzeichnung von Schrittmaterial haben, können wir uns über das Aussehen dieser Ballette nur ungefähre Vorstellungen machen. Abgesehen von den Szenarien zu seinen Balletten lagen 1760 die bereits erwähnten Lettres sur la danse vor, die schon bald in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Noverres Lettres sur la danse dienten in der Folge und noch bis ins 19. Jahrhundert hinein vielen Choreografen als Vorlage zu eigenen Schriften, so etwa auch Carlo Blasis, August Bournonville a.u. 1766 verfasste Noverre ein circa 2000 Seiten umfassendes „Bewerbungsschreiben“ an den König von Polen.

Diese Schrift (Warschauer Manuskript) enthält in insgesamt 11 großformatigen Bänden 18 Ballettszenarien, 13 Partituren sowie einen Band mit theoretischen Überlegungen zur Tanzkunst. Ein Teil daraus erschien 1781 unter dem Titel Observations sur la construction d'une nouvelle salle de l'Opéra in Druck, andere Teile aus dem Warschauer Manuskript flossen in die erweiterte Ausgabe seiner Briefe, der Lettres sur les arts imitateurs von 1807 ein.

Noverre war mit Voltaire, Friedrich II., und David Garrick befreundet. Er besaß eine starke Affinität zur bildenden Kunst. Eines seiner zentralen Anliegen war es, mit Balletten Tableaux zu malen, die ihrerseits wieder den bildenden Künstlern als Vorlage für deren Werke dienen können. In Band 1 der Warschauer Handschrift heißt es im Kapitel „Le Ballet mis en parallele avec la Peinture“: „Le Ballet est l'Image du Tableau bien composé, s'il n'en est l'Original“ (S. 25).

Dementsprechend findet man Sujets seiner Ballette bereits in den Gemälden der französischen Rokoko-Maler, wie Jean-Antoine Watteau, François Boucher und Jean-Honoré Fragonard vorgezeichnet: Les Amusemems champetres, La Toilette de Vénus, Le Jugement de Pâris, Jason et Médée, Les Horaces et les Curiaces, Les Petits riens, etc.

Obwohl die Zusammenhänge zwischen bildender Kunst und Tanzkunst gerade bei Noverre augenfällig sind, steht eine eingehende Untersuchung noch aus. So kommen etwa in Les petits riens (Paris 1778, teilweise mit Musik von W. A. Mozart) die Bild-Motive des Amour en cage (Watteau) sowie auch das Blindekuhspiel/Colin Maillard (Fragonard) vor. Erotisch konnotierte Momentaufnahmen mit entblößten Brustwarzen sind ein Topos der Rokokomalerei, kommen aber auch in dem Ballett Les petits riens vor. Die Tänzerin Guimard, welche in Les petits riens in der „pikanten“ Szene als eine der Schäferinnen mitwirkte, wurde unter anderem von Fragonard des Öfteren gemalt.

In Anknüpfung an eine bereits von Louis de Cahusac skizzierte Reform des Bühnentanzes vertritt Noverre die Überzeugung, dass im Ballett ein dramatisches Geschehen vorgestellt werden muss, ohne in Divertissements, das heißt in belanglosen Tanzszenen, zu verflachen. Das Ballett soll Leidenschaften zeigen und erzeugen, aber auch die Sitten und Gebräuche des Volkes darstellen.

Der Ballett-Komponist muss mit seiner Choreografie der Natur und der Wahrheit folgen. Er muss eine logisch aufgebaute und glaubwürdige Geschichte erzählen, der die dreiteilige Grundstruktur des Dramas, nämlich dessen Einteilung „Exposition – Knoten – Auflösung“ zugrunde liegen muss. Der Tanz soll eher expressiv und natürlich, als technisch und virtuos sein. Die danse en action soll den Zuseher durch eine ausdrucksstarke Pantomime bewegen, wobei Noverre hierin vom theatralen Gebärdenspiel eines David Garrick inspiriert war.

Noverre kritisierte die hierarchische Organisation des Balletts. Er trat gegen das Tragen von Masken auf, weil sie « die Affekte der Seele ersticken ». Er warb für realitätsbezogene Kostüme, die dem vorgestellten Sujet entsprechen und den Tänzern größere Bewegungsfreiheit erlauben. Die Tänzer sollten vielseitig gebildet sein, besonders im Studium der Poesie, Geschichte, Malerei, Geometrie, Musik und Anatomie, die alle für das Gelingen einer perfekten Tanzkunst notwendig sind.

Quelle: Wikipedia

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