Donnerstag, 24. November 2011

Pina Bausch Stil & Arbeiten

Die ersten eigenen Choreografien Pina Bauschs waren noch stark dem Modern Dance verpflichtet.
Ab den Sieben Todsünden (1976) und vor allem ab Blaubart änderte sich ihr Stil dann merklich und wurde zu dem, was später ihr Markenzeichen darstellen sollte: Gesang, Pantomime, Sprache und Alltagsgesten erhielten einen wichtigen Anteil am Bühnengeschehen. In ihren eigenen Worten: „Mich interessiert nicht so sehr, wie sich Menschen bewegen, als was sie bewegt.“


Pina Bauschs „Fragen“
Ihre Art, die Stücke vorzubereiten, ist berühmt geworden. Im Laufe der Zeit ging sie dazu über, ihren Tänzern Fragen und Aufgaben zu den unterschiedlichsten Themen und Situationen zu stellen, die ihrer Intuition nach zum Stück gehören könnten: „Mach mal etwas ganz Kleines. Etwas abbrechen, was ist dann? Etwas Gefährliches mit einem niedlichen Gegenstand tun. Eine Geste, die etwas mit Hilflosigkeit zu tun hat.“ Aus den entstehenden Improvisationen suchte sie das Material aus, das etwas noch nie Gesehenes darstellt, und versuchte dann, es ins entstehende Stück einzubauen. Alle Antworten oder Reaktionen, die sie erhielt, notierte sie − ohne Wertung und ohne Kommentar. Auf diese Weise entstand eine riesige Materialsammlung, von der am Ende über 90% wieder ausgesondert wurden.

Inszenierung
Pina Bauschs Stücke waren Collagen und Montagen, Bilderfolgen an der Grenze zwischen Realität und Traum, mit vielen Parallelhandlungen, die gleichzeitig auf der Bühne ausgeführt wurden. Auch die Wiederholung einer Handlung war bei ihr ein wichtiges Stilmittel, so forderte z. B. das mehrfache Wiederholen der immergleichen Szene (wodurch gerade die Abweichungen besonders betont werden) in Blaubart vom Zuschauer ausgesprochene psychische Belastbarkeit und die Fähigkeit, Nuancen wahrzunehmen.
Die revueartigen Stücke folgten einer inneren Logik, einem Bewusstseinsstrom und nicht einer äußerlich zusammenhängenden Geschichte. Pina Bausch arbeitete äußerst akribisch und sagte von sich: „Meine Stücke wachsen nicht von vorne nach hinten, sondern von innen nach außen.“  Das führte dazu, dass die Szenenfolge manchmal bei der Generalprobe noch nicht ganz feststand. Die letzte Entscheidung traf Pina Bausch dann oft sehr spät.

Ensemble
Für dieses Vorgehen brauchte sie Tänzer, die nicht einer idealen Körpernorm entsprachen und daher auch nicht das klassische Tanzideal verkörperten oder verlangten. Sie mussten bereit sein, wegzugehen von der Schönheit, der idealen Unverwundbarkeit, und bereit sein, sich auch als die Menschen und Typen, die sie sind, auf die Bühne zu stellen, Sprache zu verwenden, Mimik zu zeigen, Schwäche zu demonstrieren. In einem Alter, in dem klassische Tänzer nicht mehr auf der Bühne gefragt sind, tanzten Pina Bauschs Ensemblemitglieder immer noch. Sie äußerte einmal, dass sie nicht so interessiert sei an Tänzern, die alles sofort „ganz toll“ machen. Sie bevorzuge die, die sich selbst vielleicht noch nicht so ganz kennen, denen sie vielleicht auch helfen könne, etwas Neues zu entdecken (Schulze-Reuber, 2005). Das erforderte ein sehr enges, offenes und vertrauensvolles Verhältnis zu den Tänzern ihres Ensembles, von denen einige, wie Dominique Mercy, Jan Minarik, Jo Ann Endicott, Bernd Uwe Marszan, Helena Pikon und Ruth Amarante fast seit Beginn ihrer Laufbahn über viele Jahre hinweg mit ihr zusammenarbeiteten.

Musik
Auch ihre Musikauswahl war eklektisch: Gershwin kam genau so zum Einsatz wie Purcell, Gluck, Tango, alte Schlager oder ein Kinderlied. Verwendet wurde, was der jeweiligen Szene diente, ihre Stimmung unterstrich oder, indem es sie unterlief, eine Bedeutungsebene hinzufügte.

Bühnenbild
Ebenso wichtig war das Bühnenbild: Da der visuelle Eindruck dieser Art Theater nicht nur von Bewegung abhängt, musste das Bühnenbild das Nach-außen-Bringen des inneren Zustands unterstreichen, dem Zuschauer Zustände und Gefühle vermitteln und dem Ensemble den Raum bieten, in dem sich die psychologische Handlung entfalten konnte. Pina Bauschs erster Bühnenbildner Rolf Borzik setzte bis zu seinem frühen Tod 1980 Maßstäbe mit seinen Bühnenräumen für ihre Aufführungen. Besonders auffällig war bei ihr die Verwendung von natürlichen Materialien: Wasser, Erde, Rasen, Zweige, Nelken, Torf oder trockene Blätter, mit denen der Tanzboden bedeckt war. Das Bühnenbild wurde immer zuletzt auf die Bühne gebracht, um den Ideenfindungsprozess der Tänzer nicht zu beeinflussen.

Inhalte
Pina Bauschs Stücke handelten von sehr persönlichen und gleichzeitig universellen Themen, von Ängsten, Terror, Tod, Verlassenwerden, Liebe und Sehnsucht und dem Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Kinderspiele wurden vorgeführt, Männer trugen Frauenkleider, aus Zärtlichkeiten wurde Gewalt und umgekehrt. Menschen prostituierten sich voreinander, um ein Gegenüber zu finden. Immer waren die gefundenen Bilder so ungewöhnlich wie möglich. Die Masken und Verhaltensweisen, die ein Mensch in der Gesellschaft zeigt, wurden grotesk aufs Korn genommen. Arien zeigt die unglückliche Liebesgeschichte zwischen einer Frau und einem Nilpferd. In Café Müller sind zwei Männer im Abendanzug ins Gespräch vertieft. Doch das „Gespräch“ ist keine gemeinsame Unterhaltung, denn einer bläst Rauchringe in die Luft, der andere trinkt aus einem Glas und lässt das Getrunkene aus dem Mund übers Kinn rinnen – Komik und Kommunikationslosigkeit zugleich. Das ausgeprägte Ringen mit der kalten Realität und die Hoffnungslosigkeit, die ihre frühen Stücke auszeichneten, wichen im Lauf der Zeit nach Ansicht der Kritiker einer größeren Lebenslust (Schulze-Reuber, 2005).

Reaktionen des Publikums
Die Reaktionen auf Pina Bauschs Tanztheater waren in den ersten Jahren gespalten. Einerseits bildete sich schnell eine feste Gruppe von Bewunderern am Wuppertaler Theater. Andererseits formierte sich bei den Traditionalisten erbitterter Widerstand, der von Buhrufen im Theater über tätliche Angriffe wie Anspucken bis zu nächtlichem Telefonterror reichte. Pina Bausch sprach später von einem Missverständnis, da es ihr nie um Provokation ging, sondern um Ehrlichkeit und Wahrheit.
Pina Bausch setzte ihre choreografische Arbeit unbeirrt fort und erlangte mit einer durchgängig hohen Qualität und ihrem Mut zum künstlerischen Risiko bis Anfang der 1980er Jahre Weltruhm. Das deutsche Tanztheater wurde ein äußerst erfolgreicher deutscher „Kulturexportartikel“ und wirkte sich weltweit auf das choreografische Schaffen aus.

Quelle: Wikipedia

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